Der Kongress zu hundert Jahren ND ist gerade eröffnet und wird sich gleich mit der gegenwärtigen Lage der Kirche auseinandersetzen. Dazu wird Klaus Mertes SJ das Wort ergreifen.
Auf Initiative der Region Münster liegt dem ND-Rat ein Positionspapier vor, das „Umbruch in Kirche – Nach Worten müssen jetzt Taten folgen“ überschrieben ist. Der Rat wird den Antrag am Donnerstag beraten. Bernhard Gleitz und andere schreiben:
„Seit seiner Gründung setzt sich der ND intensiv mit gesellschaftlichen Fragen und mit Fragen des Glaubens auseinander. Ein Wesensmerkmal des ND ist und bleibt unser Engagement in der Kirche und für die Erneuerung der Kirche.
Mit großer Sorge verfolgen viele Mitglieder des ND die aktuellen Entwicklungen in der katholischen Kirche: Immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab, weil sie immer weniger lebt, was sie verkündet. Wegen des Glaubwürdigkeitsverlustes verringert sich ihre Bedeutung in zentralen gesellschaftlichen Diskursen. Unverständnis und Enttäuschung, Ärger und Resignation reichen bis tief in unseren Verband.
Vor allem der sexuelle Missbrauch durch Priester, aber auch die Zusammenlegung von Gemeinden und der Priestermangel sowie Frauendiskriminierung, Männerdominanz und Prunksucht in der Kirche fördern die Distanz vieler Menschen zur Kirche. Enttäuscht sind wir wie viele Engagierte, wenn über die Köpfe hinweg Entscheidungen für das Leben in den Gemeinden vor Ort von oben dekretiert werden. Diese vormoderne Haltung von Verantwortungsträgern steht im krassen Gegensatz zu unserer Zeit.
II.
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt daher der ND die gegenwärtigen Bemühungen, die dramatische Kirchenkrise zu bewältigen. Unsere ungeteilte Solidarität gilt zuallererst den Missbrauchsopfern. Sie bilden den Maßstab für das überfällige Aufklärungshandeln und die notwendige Erneuerung der Kirche.
Ausdrücklich begrüßen wir die Regelungen des Papstes für den Vatikan zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch: Jeder Verdacht von Missbrauch muss gegenüber den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden. Jede Anstrengung muss unternommen werden, damit Verbrechen, die von Priestern und anderen pastoralen Mitarbeitern verübt worden sind, aufgeklärt und geahndet werden.
Wir fordern, dass die Bischöfe in Deutschland zeitnah die Regelungen des Papstes zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch verbindlich festlegen und umsetzen. Dazu können die Beschlüsse der Frühjahrs-Vollversammlung 2019 der Deutschen Bischofskonferenz zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen vor allem durch Priester ein erster Schritt sein: Das System der unabhängigen Ansprechpartner_innen für von sexuellem und geistlichem Missbrauch Betroffenen muss ausgebaut werden. Alle haupt- wie ehrenamtlichen Mitarbeiter_ müssen durch Präventionsmaßnahmen weiter qualifiziert werden.
III.
Worte sind genug gewechselt. Über Herausforderungen für Kirche, Glauben und Pastoral, über Machtverteilung und mangelnde Partizipation in der Kirche, über die Fragen der priesterlichen Lebensform, über die Sexualmoral und die kirchliche Strafgerichtsbarkeit. Zuletzt im offenen Brief der neun Katholikinnen und Katholiken an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den wir voll umfänglich unterstützen.
Jetzt müssen strukturelle und systemrelevante Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden. Wir fordern, dass diese Ansätze zeitnah in konkrete Handlungen umgesetzt werden:
- Die Mitwirkungs- und Entscheidungskompetenz aller Getauften auf allen Ebenen muss von den Bischöfen und Pfarrern anerkannt werden. Die Ansätze zur Verwirklichung einer Kirche der Partizipation gilt es in allen Diözesen zu intensivieren.
- Engagierte Frauen und Männer in den Gremien der Mitverantwortung, den katholischen Verbänden werden in die Beratung der anstehenden Fragen einbezogen – nur gemeinsam können Laien und Priester die Erneuerung Kirche gestalten.
- Die Judikative muss von der Exekutive getrennt und eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit soll eingerichtet werden. Bereits vorhandene Kontroll- und Aufsichtsgremien müssen ausgebaut und weiterentwickelt werden. Vor allem ihre Unabhängigkeit von den Leitungsinstanzen, die sie kontrollieren gilt, es ernsthaft voran zu treiben.
- Das Leitungshandeln in der Kirche soll transparent und öffentlich nachvollziehbar sein. Klerikalistische Männerbündeleien gehören der Vergangenheit an. Laien und Priestern, ehrenamtlich wie hauptberuflich engagierte Christen sollen gleichberechtigt Leitungsfunktionen in der Kirche ausüben können.
- Frauen und Männer sollen in der Kirche gleichgestellt und Frauen der Zugang zu allen kirchlichen Ämtern gewährt werden.
- Das zölibatäre Leben darf keine Voraussetzung für die priesterliche Tätigkeit sein. Der Schein der Asexualität des priesterlichen Lebens widerspricht dem Schöpfungswillen. Damit wird das besondere Dienstamt attraktiv für Personen, die Problemen mit ihrer Sexualität ausweichen wollen, statt sich ihnen zu stellen.
- Der Umgang mit Sexualität darf nicht losgelöst werden von der umfassenden Verantwortung, die Menschen nach dem Willen des Schöpfers füreinander, für sich selbst und vor Gott wahrnehmen können. Die eigentlich fruchtbare Spannung zwischen den Herausforderungen des Evangeliums und den gesellschaftlichen Plausibilitäten darf nicht umschlagen in einen menschenverachtenden Rigorismus. Entscheidend ist, das Zeugnis der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu leben. Dieses darf nicht durch eine Unzahl von Vorschriften und teilweise unsinnige Verbote verdunkelt werden.
- Die Ökumene muss als wesentliche Chance für die Erneuerung der Kirche genutzt und gefördert werden.
Die Lage ist weiter kritisch. Wir im ND unterstützen deshalb, sowohl als Mitglieder, die in vielen Stellen Verantwortung tragen, und als auch als gesamter Verband, nachdrücklich alle Reformbemühungen zur echten Erneuerung der Kirche und zur positiven Entwicklung in der Kirche. Wir sind bereit, uns bei der Entwicklung der Reformen aktiv zu beteiligen und konkrete Schritte vorzuschlagen.
Liebe Bundesgeschwister,
wir haben 100-jähriges Bestehen gefeiert und es war schön. Gleichzeitig haben wir den Aufbruch angepeilt, Forderungen in der Frauenfrage gestellt und Mitwirkung im Prozess des synodalen Wegs ins Auge gefaßt. Das aktuelle Heft von Bibel und Kirche mag Ermutigung dazu geben (siehe unten).
Pressemitteilung vom 13. Mai 2019
Macht und Kirche Impulse aus biblischer Sicht
Stuttgart – Die kirchliche Besinnung auf Macht und Herrschaft im Sinne Jesu dulde keinen Auf- schub mehr, schreibt der Tübinger Neutestamentler und Vorsitzende des Katholischen Bibel- werks e.V., Professor Dr. Michael Theobald, in der neuesten Ausgabe von Bibel und Kirche, der Mitgliederzeitschrift des Bibelwerks. Er selbst hat den Zusammenhang von Apostel-Nachfolge und Macht untersucht sowie die Frage, ob die apostolische Tradition nur von Männern bewahrt werden könne. Dabei kommt Theobald zu dem klaren Ergebnis: Nein!
Theobald zeichnet ein differenziertes Bild des Begriffs »Apostel« in den verschiedenen neutes- tamentlichen Schriften und seiner theologischen Verwendung. Er geht auf die Frage der Leitung der Gemeinden und auf die Rolle der Frauen für den Aufbau der Kirche ein. Auch das Lehrver- bot und die Begrenzung weiblicher Kompetenz auf das Haus in den Pastoralbriefen kommen zur Sprache. Die Absicht dieser Briefe sei es, so Theobald, »die Gemeinden in der Gesellschaft zu beheimaten«. Nicht die Tradierung jenes antiken Gesellschaftsbildes, in dem die Frauen z.B. kein Zeugenrecht hatten, sondern das »Konzept einer Inkulturation der Kirche« sei die bleiben- de theologische Bedeutung der Pastoralbriefe. Biblisch spreche alles, so Theobald abschlie- ßend, für das Priesteramt von Männern und Frauen.
Burkhard Hose, Hochschulpfarrer und Diözesanleiter des Bibelwerks in Würzburg, skizziert in seinem Beitrag »ein positives jesuanisches Konzept von Macht.« Schritte dahin begründet er aus dem Neuen Testament, konkret aus dem Markusevangelium, dem Galater- und dem Philip- perbrief. Nur Macht in Beziehung zu den Menschen schafft Autorität; benachteiligte Menschen werden durch die Taufe ermächtigt; die Umkehrung der Machtverhältnisse geschieht durch Machtverzicht. »Die Möglichkeit, auf Macht zu verzichten, damit andere Menschen größer wer- den«, sieht Hose als Maßstab von Christlichkeit und als christliches Alternativmodell zur Macht- verteilung in der Gesellschaft.
Als Politologin beobachtet Dr. Christiane Florin, Redakteurin beim Deutschlandfunk, wie die Frauenfrage in der katholischen Kirche zur Machtfrage geworden ist, in der es nicht mehr um denAustauschvonArgumentengehe: »DieTüristzu«,lautediestetswiederholteAntwortauf die Frage nach dem kirchlichen Amt für Frauen. »Das Bild der Tür wird in der katholischen Kir- che verräterisch oft strapaziert«, konstatiert sie. Hochrangige Kleriker verhielten sich wie Tür- steher in einer Diskothek: »Türsteherposten sind Machtposten.«
Fünf weiter Beiträge im aktuellen Heft Bibel und Kirche behandeln das Thema »Macht und Kir- che« mit weiteren biblischen Vertiefungen und aktuellen Bestandsaufnahmen aus Deutschland und dem Mittleren Osten sowie einem »Zwischenruf« aus Kloster Einsiedeln.
Textlänge ohne Überschriften: 2750 Zeichen; Autor der Presseinformation: Jürgen Simon
Bezugshinweis:
»Macht und Kirche«, Bibel und Kirche 2/2019, 64 Seiten, € 7,90, ISBN 978 3 944766 78 2
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