„Nachts um halb fünf in Stuttgart sind wir losgeradelt“, erzählt Werner. „Die nächtlichen Straßen in der schwäbischen Automobilmetropole waren von Autos frei und dann sind wir in die Nacht und später in den Tag geradelt. Um halb eins stiegen wir dann das erste Mal ab: Am Fuße des Burgbergs in Niederalfingen. Und unsere Fahrräder hatten höchstens drei Gänge.“ Viele Male sei er nach Niederalfingen gefahren (Und natürlich: auch zurück).
Der Berg hoch zur Marienburg hat es in sich: Gefühlte 36% Prozent Steigung und eine Einbahnstraße. Bei der Wendeltreppe steht am KSJ-Kompass, der alle Stadtgruppen lokalisiert, bei Stuttgart AMG und FRS 61 Kilometer. Öfters als zehn Mal hätten sie die Tour zurückgelegt, lacht der inzwischen weißhaarige ältere Herr. Erstmalig als 13-jähriger, zuletzt als 20-jähriger. Die Radtour wäre immer leichter geworden, schließlich wäre er selbst größer und stärker geworden. Heute, später am Abend werden Lotti, die aktuelle KSJ-Diözesanleiterin, Veronika und die beiden Tobi-Asse die Älteren nach Ellwangen shuttlen.
Es ist eine deutliche Veränderung bei den ND’ern zu erleben. Edwin, der fürs Singen, verantwortlich gemacht worden ist, bringt alte Liederbücher mit in die Speisesäale. Eigentlich sollten wir ja ums Lagerfeuer hocken, aber einen Regenschauer hat die ausgetüftelte Planung durcheinander geworfen. Dabei sind etliche Klafter Holz vom lokalen Forst herbeigeschafft worden.
An dieser Stelle kommt Jörg Spannig, genau aus München/Amberg Da Capo, ins Spiel, der sich eine herumliegende Gitarre schnappte. Lass uns „Abendstille überall“ singen, lass „So war’n die alten Rittersleut’“ singen. Wahnsinn, die Liederbücher werden gar nicht gebraucht, weil alle die Strophen auswendig und kräftig singen können.
Die älteren Herren und einigen wenigen Frauen verjüngten zusehend mit jedem Lied. Die Ausgelassenheit wuchs. Es ist eine Freude, ihnen zuzuhören + zuzusehen. Wie alt mögen sie den KSJ’lerInnen vorgekommen sein? „Na ja, einige sind so im Alter meiner Oma, die ist siebzig und andere fast hundert.“ Sophie lacht. „Der Wolfgang sieht vielleicht alt aus, wirkt aber viel jünger.“
Derweil blättere ich durch den „Kilometerstein“. Bewusst sei die Sammlung nicht Liederbuch genannt worden, steht fett im Vorwort zur 1. Auflage. In Frakturschrift. „Vieles, was hier zu finden ist, hat überhaupt nichts mit Musik zu tun oder gehört nur noch zum Teil zur Gebrauchsmusik. Aber es sind Dinge die zu Fahrt oder Lager notwendig sind wie Affe und Hordenpott“. Weiter unten heißt es: „Für den Stubenhocker ist unsere Sammlung gewiss nicht gemacht, auch nicht für den Musterknaben.“ Ostern 1934. Es folgt das Vorwort zur 7. Auflage September 1939.
Dann wirft der Regionalleiter die Frage auf: „Was ist die kürzeste Definition von Religion?“ Logisch: „Unterbrechung“. Er schlägt den Bogen von Johann Baptist Metz, Ottmar John, über in tiefster Nacht beginnt ein neuer Tag zum 1. September. Kriegsausbruch. Kanon: Dona nobis pacem. Da wirft sein Stellvertreter ungeduldig ein: „Und das Bundesave?“ Das wird natürlich auch gebetet. Beim abschließenden Lieblingsmarienlied geht aber den Jüngeren – auch dem Schreiberling – die Textsicherheit komplett flöten. Sind doch mehr als eine Generation auf der Marienburg vertreten.
In den Stallungen rockt die jüngste Burg-Generation. Oder dreht am Kicker, wirft zielsicher Dartpfeile oder puttet auf Minigolf grün ein. Freuen sich des Lebens und macht gut gelaunt die Nacht zum nächsten Tag.
Redaktioneller Hinweis: Das Titelbild zeigt den Bergfried beim 80-jährigen Burgjubiläum. So schönes Wetter hatten wir leider nicht, aber die Verbundenheit der zwei Verbände passt. Eine aktuelle Bebilderung kommt.
Gruß an die jubilierende Burggemeinde,
herzlich Peter (Barzel)