Ein „Offener Brief“ geht auf die Reise. Und die Aussichten sind ungewiss. Beobachtungen von Joe Menze
Das Spannendste an Pressekonferenzen sind nicht die vorbereiteten und meistens erwartbaren Statements, sondern die Antworten auf die Nachfragen der Journalist*innen. Gestern hatte die Initiative „Wir sind Kirche“ eine hochkarätige Gruppe von höchst kritischen Kirchen-Liebhaber*innen zur Pressekonferenz zusammengebracht, gut 24 Stunden, bevor 30 Organisationen einen „Offenen Brief“ an das Synodalpräsidium überreichen. Auch die ND-Leitung hat ihn für den Verband mitgezeichnet. Ich verfolgte die PK mit einem Muslim, der politisch sachverständig höchst interessiert das katholische Panoptikum beobachtete.
Die fünf Impulsgeber*innen spiegelten das weite kirchenaufrührerische Spetktrum. Neben den in diesen Zusammenhängen üblichen Verdächtigen, „Wir sind Kirche“, gegründet 1995, vertreten durch den Alterspräsidenten und unermüdlichen Aktivisten Christian Weisner und den „international chair“ (Vorsitzenden) Colm Holmes, ergreifen Irene Krapf von der Münchener Betroffeneninitiative Sauerteig und die Frankfurterin Monika Humpert für die Bewegung „Maria 2.0″ das Wort. Ganz neu dabei ist der Hamburger Jens Ehebrecht-Zumsande, #OutInChurch. In letzter Minute ist Agnes Wuckelt, die stellvertretende kfd-Bundesvorsitzende, auf das digitale Podium gehüpft.
Mit Wuckelt waren auch die dicken katholischen Tankerverbände repräsentiert, die Sitz und Stimme auf der synodalen Versammlung jetzt am Wochenende haben. Eine echte Bereicherung. Die kfd, die mit der Aktion #MachtLichtAn 2018, noch vor dem Start des Synodalen Weges 30.000 Unterstützer*innen für Kirchentreformen versammelte, und der Frauenbund wurden mit der Forderung nach einer geschlechtergerechten Kirche lange von den Bischöfen ignoriert. Einfach missachtet, nannte es Wuckelt lakonisch.
In die Synodalversammlung, „wohl die letzte Chance“ für Reformen, werden die Frauenverbände mutiger und fordernder gehen und im „vorauseilenden Gehorsam“. Ein Schlag ins Gesicht der Gläubigen sei es, wenn dem Sensus für ‚Zeichen der Zeit‘ eine theologische Qualität abgesprochen werde, skizzierte Wuckelt eine der harten Konfliktlinien. An diesem Wochenende entscheide sich der Grundtext über die theologische Basis der Synodalversammlung. Auch zum Diakonat der Frau, eine bislang uneingelösten Forderung der Würzburger Synode (1974), erwarten die Reformkräfte eine Lösung. Ein harte Abstimmung mit Zwei-Drittel-Mehrheiten von den BIschöfen oder die Vertagung in eine Dritte Lesung, deutet Wuckelt als mögliche Entscheidungsalternativen an.
Insgesamt fällt bei den anderen Statements in der Pressekonferenz auf, dass doch sehr auf das Votum der Bischöfe gestarrt wird. Wo bleibt die Selbstermächtigung der aufgeklärten & aufrechten Christenmenschen? Die Initiative Sauerteig fordert: „Befreit euch von Zwängen, seid offen, denkt selbstständig, habt keine Angst die Macht zu verlieren. Steht zu dem, was ist – Es gibt noch Menschen, die bereit sind für eine Erneuerung, nehmt uns mit sonst wird es nicht weiter gehen.“
Wie zersetzend das „schreckliche“ Münchener WSW-Gutachten und die marxistische Antwort gewirkt haben, belegen alle Statements. Beurteilt Weisner die Erklärungen von Joseph Ratzinger noch als „höchst unguten“ und sieht einen „historischen Abgrund, wenn die Kirchenleitung nicht umsteuert“, schleudert Maria 2.0 den Bischöfen entgegen: „Meine Herren, Sie sind eine Schande für die Menschlichkeit“ Dieser Satz stehe für die Dimension der Schandtaten und für das zerstörte Ansehen, das die Kirche derzeit überschattet.
Für #OutInChurch hat Jens Ehebrecht-Zumsande das laute Schweigen aus vielen Bistumsleitungen registriert. Sehr irritiert stelle er fest, „Niemand kann sagen, dass er davon nichts gewusst hat. So viel Ehrlichkeit gehört zu einem neuen Anfang und zu den notwendigen Veränderungen“. Darum richte sich der Aufruf an die Synodal*innen und an die Bistumsleitungen, die Diskriminierung zu beenden und ein neues Dienstrecht jetzt einzuführen. Eine klare Forderung.
Monika Humpert bringt die Botschaft auf den Punkt: „Was kann man überhaupt noch erwarten und glauben?“ Eher wenig.
Und was sagt der muslimsche Beobachter? Ein Potpourri an Forderungen habe er gehört. Alle sehr interessant. Aber: Warum können sich die Leute nicht verständigen? Das würde ihren Forderungen den notwendigen Nachdruck verleihen. Der Offene Brief ist auf die Reise geschickt. Und der Ausgang ist offen.