Sie blicken gemeinsam über den Horizont: Der Pfingstgeist und ein am Montag 75 Jahre alt gewordener Panikrocker – von Joe Menze
„Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.“ Die Pfingstgeschichte weitergedacht: Klar hat sich die göttliche Botschaft in den unterschiedlichen Sprachmelodien jeweils weiterverbreitet. Und heute? Wie spricht Gott uns an, wo begegnet uns die göttliche Botschaft? An entlegenen Orten und in überraschenden Personen.
Gerade lese ich in einer überregionalen Zeitung in der Rubrik „Panorama“: „Hinter’m Horizont geht’s weiter hat Udo Lindenberg oft gesungen, selten konnte man diese Zeile besser gebrauchen als im Frühjahr 2021.“ Es kommt aber noch besser. „Zum Geburtstag und überhaupt für sein ehrenamtliches Engagement erfüllt ihm das katholische Bonifatiuswerk einen häufig geäußerten Wunsch und schenkt ihm eine Hundeschlittenfahrt am Nordkap“.
Mit Udo verknüpfen sich Ohrwürmer wie „Alles klar auf der Andrea Doria“, mit den Dixie-Anklängen (1973) über den friedens-detektivischen „Sonderzug nach Pankow“ (1983) bis zum Comeback-Album „Stark wie Zwei“ (2008) und das Vergnügen an schnoddrig-sprachspielerischen Texten des „Panikrockers“ mit der schwarzen Sonnenbrille und Hut. Aber das ist nur das vordergründige Image, die Marke.
Wenn wir in seine Alben tiefer hineinhören, begegnet uns bisweilen ein zweifelnder Sinndeuter der (vor)letzten Dinge. Zwei Beispiele:
„Gott, wenn es dich gibt An den Cliffs von Dublin Graue Wolkenberge, zeig mir das Licht / Wohnst du darüber Oder bist du ein Gerücht? Die Kriege toben Warum änderst du's nicht? Nun steh ich hier mit meinem kleinen Glauben Wie lange hält man das denn aus? Ja, muss denn diese Welt Wenn ich irgendwann man geh'n muss immer noch so sein wie'n Irrenhaus? Gib mir die Power Ich will dafür steh'n Die Welt zu ändern Das muss doch geh'n.“
Mit dem Song „Interview mit Gott“ (2008) gibt Lindenberg Gott das Wort. Witzigerweise „nach der Werbepause“, natürlich „zur besten Sendezeit“ und logisch mit der sagenhaften „Einschaltquote 100%“. So skizziert er die Bühne. Und nun die Botschaft des lindenbergschen Gottes:
Ja, wenn der Mensch nicht weiter weiß Dann macht er mir den Himmel heiß Doch es nützt kein Beichten Nee, es nützt kein Beten Kümmert euch jetzt mal selber Um euern Planeten Ja, es war ganz nett Es war 'n großes Ding Mich mal zu interviewen Doch Leute, tschüss Ich muss jetzt echt wieder weiter Man hat als Gott ja auch noch Was and'res zu tun
In Paderborn hatten wir das Vergnügen, Libori 2017 in der Gaukirche, durch die Ausstellung „Udos 10 Gebote“ flanieren zu können. Vom Appell eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen und Kulturen machten sich fast 50.000 sich ein Bild und wahrscheinlich auch ihren Reim. Eine zweite Ausstellung in der Überwasserkirche während des Katholikentages 2018 in Münster betrachten dann über 50.000 Angesprochene.
Über Udo Lindenberg erzählt Georg Austen, Initiator der Ausstellungen und Generalsekretär des Bonifatiuswerkes: „Ich erlebe, dass er sehr interessiert ist, sich aber auch kritisch mit den Fragen auseinandersetzt und auch uns eine Menge geben kann, worüber wir nachdenken können.“ Dem „religiösen Freiglauber“ gehe es um die Menschenfamilie.
Vielfältige Pfingstbotschaften & offene Sinne wünsche ich.